Die „Land-Grazien“ helfen Opfern häuslicher Gewalt – im Undercover-Transporter

Wenn der Weg zum Frauenhaus zu weit ist: In Schleswig-Holstein unterstützen die „Land-Grazien“ Frauen und Kindern, die Gewalt erleben

Bushaltestellen sind gute Treffpunkte. Oder der Supermarkt – Orte also, an denen sich Menschen auch rein zufällig begegnen. Miriam Peters wird ganz bewusst dorthin gerufen: Die Sozialarbeiterin hilft Frauen, die von Gewalt bedroht sind. Weil die Betroffenen jedoch auf dem Land leben, ist die nächste Beratungsstelle für sie oft unerreichbar. Oder ihre Partner überwachen sie so engmaschig, dass sie sich dorthin nicht unbemerkt auf den Weg machen können.

Dann verabreden sie sich mit Peters zu einem unauffälligen Treffen. „Die Orte dafür müssen zum Alltag der Frauen passen“, erklärt Peters. Sie hat schon neben Turnhallen und auf Schulparkplätzen mit Gewaltopfern gesprochen, um herauszufinden, auf welche Weise sie ihnen helfen kann. Leben auch Kinder in der Familie? Will die Betroffene in ein Frauenhaus fliehen? Oder hat sie sich schon getrennt und kämpft nun mit Geldsorgen oder mit dem Jugendamt?

In all diesen Fällen helfen die „Land-Grazien“. So heißt das mobile Beratungsangebot, das Peters vor drei Jahren im Osten von Schleswig-Holstein gegründet hat. Die fünf Frauen des Teams informieren per Telefon, Chat, Mail oder auf Social-Media-Kanälen. Sie helfen aber auch direkt vor Ort: Dafür nutzen sie einen Transporter, der von außen beklebt ist, als gehöre er einem Handwerksbetrieb, innen laden Bänke und ein Tisch zum Gespräch.

Bundesweit ist das Modell einmalig, es lebt von Spenden und Stiftungsgeldern – ein finanzieller Balanceakt. Dabei ist der Bedarf groß: Nahezu täglich bitten Frauen bei Peters um Hilfe. Da ist die 15-Jährige, die von Klassenkameraden vergewaltigt wurde. Oder die 82-Jährige, die seit 60 Jahren von ihrem Mann geschlagen wird. „Noch immer ist Gewalt gegen Frauen ein Tabuthema – auf dem Land sogar noch mehr als in der Stadt“, sagt Peters.

Sie kommt selbst aus der Region, arbeitete dann in einem Frauenhaus in Lübeck. Dort suchten auch Frauen aus dem Umland Hilfe. „Ich wusste also, dass es Bedarf, aber kaum Angebote gibt.“ Als sie vor einigen Jahren mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern zurück in ihr Heimatdorf zog, gründete sie die „Land-Grazien“. Die Nachfrage war sofort groß.

Und so trifft Miriam Peters heute Frauen am Spielplatz, im Supermarkt oder an der Bushaltestelle. „Ich freue mich über jede, der ich so helfen kann.“